Archiv
Unser Bild zeigt: Stefan Darmstädter, Jürgen Koch, Günter Hunold, Jörg Darmstädter (von links) und im Bagger Bürgermeister Daniel Christian Glöckner, im Hintergrund füllt sich die vom Faulschlamm befreite Flutmulde allmählich wieder mit Wasser. - Foto: Stadt Gelnhausen

GELNHAUSEN Mit dem Bagger zu mehr Artenreichtum

Aufwendige Erhaltung am „Entenweiher“ im Naturschutzgebiet „Kinzigaue"

14.11.18 - Die letzten Sonnenstrahlen des Tages blitzen durch sich sanft im Wind wiegende Halme. Keine zwei Meter weiter ist es mit der Romantik allerdings vorerst vorbei. Ein Bagger schaufelt Schlamm aus einer flachen Grube, die aussieht, als würde der Maschinenführer das Werkzeug eher zufällig ansetzen. Das Gegenteil ist aber der Fall: Im Naturschutzgebiet (NSG) „Kinzigaue bei Gelnhausen“ wird nahe der Ostspange die als „Entenweiher“ bekannte Flutmulde vom Faulschlamm befreit und neu modelliert. Ein Herzensprojekt von Günter Hunold vom Forstamt Hanau-Wolfgang, das durch die unkomplizierte Zusammenarbeit verschiedener Fachbehörden und Experten umgesetzt werden kann.

„Wenn die Natur sich diese Fläche in den nächsten Jahren zurückerobert, wird das hier wieder ein sehr wertvolles Biotop. Ein Hotspot für bedrohte Arten“, ist sich Hunold, der beim Forstamt Hanau-Wolfgang für Naturschutzmaßnahmen zuständig ist, sicher.

In der Kinzigaue bei Gelnhausen finden sich viele seltene Pflanzen-, Tier-, Insekten- und Vogelarten, die nicht nur zur Ausweisung als Naturschutzgebiet führten, sondern dem Lebensraum 2008 auch den Status als Flora-Fauna-Habitat (FFH) und damit einen europäischen Schutzstatus einbrachten. Bürgermeister Daniel Christian Glöckner informiert sich gemeinsam mit dem städtischen Umweltberater Jürgen Koch und Günter Hunold vor Ort über das Ergebnis der Arbeiten. Trotz der sehr langen Trockenperiode 2018 drückt das Wasser aus den tiefer liegenden Bodenschichten der Flussaue bereits wieder nach oben und bildet erste Pfützen in der ausgebaggerten Fläche. Bei der Flutmulde handelt es sich um ein flaches, stehendes Gewässer, das langsam aber sicher durch natürliche Wachstumsprozesse zu verlanden und damit seine Funktion zu verlieren droht.

„Der Entenweiher ist das einzige stehende Gewässer im weiteren Umkreis und bildet das Zentrum des etwa 30 Hektar großen Naturschutzgebietes“, klärt Hunold, der viele Jahre lang Revierförster in Gelnhausen war, auf. Absterbende, sich immer wieder überlagernde  Pflanzenteile hätten über die Jahrzehnte hinweg unter anderem Faulschlamm gebildet. „Anaerobe Zersetzungsprozesse wirken sich negativ auf das Gewässer aus und verdrängen immer mehr Arten aus dem Biotop“, skizziert Hunold. „Wir hätten diesem natürlichen Prozess des Funktionsverlusts und der Verlandung natürlich auch freien Lauf lassen können, aber der Fluss hat in diesem Bereich keine Möglichkeit, neue Biotopstrukturen auszubilden. Wir konnten deshalb daraus kein Moor werden lassen, dafür haben wir einfach zu wenige dieser  stehenden Gewässer.“

Bürgermeister Glöckner bringt eine besonders seltene Libellenart in das Gespräch ein: Die „Helm-Azurjungfer“ genießt aufgrund der verschwindenden Lebensräume europaweit den höchsten Schutzstatus als streng geschützte Tierart. Sie benötigt für ihr Überleben spezielle Umgebungsmerkmale wie verwachsene Bachläufe und Wiesengräben. In der Kinzigaue bei Gelnhausen kommt sie noch vor. Jürgen Koch zählt weitere seltene Arten des NSG auf: „Vom Zwergtaucher über die Wasserralle, Bekassine, Teichrohrsänger, Gelbspötter, Beutelmeise, bis hin zu Bergmolch, Teichmolch, Sumpfschrecke und blauflügeliger Prachtlibelle finden sich hier zahlreiche seltene Arten.“ Die Kinzig werde in diesem Gebiet von einem Saum aus Erlen und Weiden begleitet, die angrenzende Aue beheimate Schilf- und Hochstaudenflure sowie Seggenriede. Hier lebten weitere seltene und gefährdete Pflanzenarten, die andernorts durch intensive Landnutzung bereits verschwunden seien, so Koch. Zudem diene das NSG auch vielen Zugvogelarten als Nahrungs- und Rastplatz, ergänzt Hunold.

Die lange Trockenphase seit April 2019 hat nun ideale Bedingungen geschaffen, um den Faulschlamm zu entfernen und die Gewässerfläche wiederherzustellen. „Wir mussten die Gunst der Stunde nutzen. Das Forstamt Hanau-Wolfgang, das Regierungspräsidium in Darmstadt, das die Gelder freigibt, die Untere Wasserbehörde, das hinzugezogene Umweltbüro Ditter in Erlensee und die Stadt Gelnhausen haben dabei schnell und unkompliziert zusammengearbeitet“, bilanziert Hunold.

Mit der Firma Darmstädter aus Rodenbach sei ein kompetenter Partner für die Umsetzung gefunden worden. Das Unternehmen verfüge über entsprechend ausgerüstete Bagger und Erdladewagen - und Baggerführer mit Erfahrung und Sensibilität. „Stefan Darmstädter ist ein Künstler seines Fachs. Hier wird schließlich keine Baugrube ausgehoben, sondern ein Lebensraum mit tieferen und flacheren Bereichen, mit Inseln und Uferböschungen modelliert. Das muss jemand können“, lobt Hunold. Innerhalb von einer Woche sind so mehrere Hundert  Kubikmeter Faulschlamm bis zur stauenden Ursprungsschicht aus dem etwa 5000 Quadratmeter großen „Entenweiher“ entfernt und auf einer staatlichen Fläche zwischengelagert worden. Knapp 20 000 Euro an Pflegegeldern hat das Regierungspräsidium für dieses Projekt bewilligt. „Dieser Einsatz wird sich für die biologischen Wechselbeziehungen in diesem Areal mehr als lohnen“, prognostiziert Günter Hunold (pm) +++.


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön