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Vorsitzender Markus Harzer (rechts) überreicht Karin Sensel, Hans-Joachim Knobeloch und Walter Strauch die Willy-Brandt-Medaille. Es fehlt der erkrankte Jürgen Schmitt. - Fotos: Dietmar Kelkel

STEINAU/STR. Hohe Auszeichnung

100 Jahre SPD Steinau: Willy-Brandt-Medaille für vier Genossen

25.03.19 - Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im hessischen Landtag, Heike Hofmann, und Markus Harzer, Vorsitzender des Steinauer Ortsvereins, haben bei der akademischen Feier anlässlich des 100. Geburtstages der Steinauer SPD in der Markthalle Hans-Joachim Knobeloch, Jürgen Schmitt (erkrankt), Walter Strauch und Karin Sensel mit der Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnet. Die Medaille ist die höchste Ehrung, die die Partei an Mitglieder vergibt, die sich um die Sozialdemokratie besonders verdient gemacht haben. Für 50 Jahre treue Verbundenheit ehrte der Ortsverein Jürgen Spreckelsen und Walter Strauch.

Umrahmt wurde die Feier vom Schlagwerk des Fanfarenzuges Steinau und der Marjosser Gesangsgruppe „Singsation“. Lieder wie „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ und Trommelwirbel passten hervorragend zu dem Steinauer SPD-Ortsverein, denn in den Anfängen vor 100 Jahren seien Wahlkämpfe noch auf der Straße ausgetragen worden, sagte Markus Harzer. Er bedauerte, dass der scheidende Landesvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümpel kurzfristig absagen musste. Gerne hätte er erfahren, wie seine Gefühlslage zwischen Wehmut und Aufbruchstimmung tatsächlich sei.

Bundestagsabgeordnete Bettina Müller und Heike Hofmann reisten aus Berlin direkt vom Partei-Konvent zur Europawahl an. „Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität haben über Jahrhunderte nicht an Aktualität verloren. Demokratie muss hart erkämpft werden“, betonte die Landtags-Vizepräsidentin. Sie erinnerte an die letzte freie Rede von Otto Wels im Reichstag am 23. März 1933. Darin hieß es: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Wer glaube, dass Nationalstaaterei zukunftsträchtig sei, irre. „Europa ist nicht die krumme Banane, sondern ein Zukunftsprojekt, für das es sich lohne, einzustehen. „Wir Sozialdemokraten wollen, dass junge Menschen in Nachbarländern studieren oder sich ausbilden lassen. Wir wollen Investitionen in die Zukunft und keine Aufrüstung. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit.“ Grundrente sei kein Almosen, sondern Respekt vor der Lebensleistung.

Landtagsabgeordneter Heinz Lotz berichtete, dass er seine ersten politischen Schritte im Ortsverein Steinau gemacht habe. „Wir Marjosser sind ab und an im Bus angereist und haben mitgestaltet. Das hat mich beflügelt, Politik zu machen.“ Der parteilose Bürgermeister Malte Jörg Uffeln zitierte in seinem Grußwort August Bebel, der sagte, Sozialist sein, bedeute für eine Gesellschaftsordnung zu arbeiten, in der alle aktiven Kräfte harmonisch verbunden würden und zu aller Nutzen zusammenwirken sollten. „Auch wenn es im Stadtparlament nicht immer harmonisch zugeht, ziehen wir alle hier in der Markthalle an einem Strang, um - jeder nach seiner Sicht - das Beste für Steinau zu erreichen.“

Er überreichte Markus Harzer eine Flasche „Regent“ und „Phoenix“ aus dem Steinauer Katharinengarten und wünschte: „Möge der Genuss des Phoenix euch neu erstehen lassen. Ihr werdet auch mich überleben, wenn ihr einig und prinzipientreu seid.“ Weitere Grußworte sprachen Kreistagsbeigeordnete Sonja Sensel und Bundestagsabgeordnete Bettina Müller.

Zuvor hatte der stellvertretende Vorsitzende Werner Herd einen tiefen Blick in die Chronik geworfen. „100 Jahre Steinauer SPD sind gelebte und erlebte Zeitgeschichte, die voller Unruhen, Kriegen, Verfolgung, Diktatur, aber auch Erneuerung und Demokratie war“, hob Herd hervor. Er bedankte sich bei Heimatforscher Hans-Joachim Knobeloch, der seine eigene Ausarbeitung zur Verfügung gestellt hatte.

Kurz nachdem der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 6. November 1918 die erste Deutsche Republik ausrief, gründete sich in der Gastwirtschaft „Zum fröhlichen Mann“ die Ortsgruppe Steinau. Vorsitzender Peter Richter habe nach dem Motto „Lesen bildet“ für die Mitglieder sogar eine Bibliothek mit 234 Büchern eingerichtet. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hätten sich einige Steinauer der Sozialdemokratie angeschlossen gehabt wie Peter Richter. Ein anderer, Wilhelm Ruppel, habe berichtet, dass er heimlich in die SPD eingetreten sei. „Keiner in der Betriebsleitung durfte es wissen.“

Anfang 1933 haben die Steinauer Sozialdemokraten 240 Mitglieder gehabt und stellten mit Dr. Georg Julius Kraft den Bürgermeister. Nach der Machtergreifung Hitlers sei die Partei verboten worden, ihre Mitglieder verfolgt, diffamiert und viele eingesperrt worden. Wenigstens die Vereinsfahne habe Kassierer Adam Engelhardt gerettet, indem er sie zusammenrollte und in einer runden Blechbüchse im Heu für die Stallhasen versteckte. „Wo die Fahne, die die Aufschrift 'Brüder zur Sonne zur Freiheit' trug, geblieben war, wussten nur wenige. Die Nationalsozialisten vermuteten sie bei Adam Engelhardt und führten sechs Hausdurchsuchungen durch“, berichtete Werner Herd.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches seien die Sozialdemokraten erneut die „Männer der ersten Stunde“ gewesen. So habe der Hintersteinauer Hans Berthold die Wiederzulassung der SPD beantragt. Die amerikanische Militärregierung habe dies gestattet mit der Auflage, dass es den Sozialdemokraten untersagt sei, Uniform zu tragen. Im Jahre 1946 habe der Ortsverein bereits wieder 70 Mitglieder gehabt. „Politisch hatte die SPD Steinau gut Fuß gefasst“, betonte der stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende. Herd ging auch auf das Wirken der langjährigen Bürgermeister Heinz Désor, Hans-Joachim Knobeloch und Walter Strauch ein, die besonnen und zielgerichtet die Geschicke der Stadt gelenkt hätten.

Er bilanzierte: „Der Grundgedanke der Sozialdemokratie war es, allen Menschen, egal welcher Herkunft und welchen Standes gleiche Chancen in unserer Gesellschaft zu bieten. Es ist vieles erreicht. Dennoch gibt es sehr viel mehr zu tun für uns, für unsere Stadt, für unser Land und für unsere Partei.“ (Dietmar Kelkel) +++


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