Restauratorin Anne Ropte bei der Arbeit in der Werkstatt von Jörg Büchner am Luckenberg - Fotos: Carina Jirsch

REGION Altaraufsatz endlich wieder komplett

Restauratorin Anne Ropte hat für Jakobus und Jodokus Detektivarbeit geleistet

10.05.25 - Endlich ist wieder zusammen, was zusammengehört: Die beiden spätmittelalterlichen Skulpturen des Hl. Jakobus und des Hl. Jodokus, die jahrzehntelang von ihrem Ursprungsplatz in Großenlüder entfernt, im Dom-Museum ausgestellt wurden, sind nach aufwendiger Restaurierung wieder an ihren angestammten Platz im gotischen Flügelaltar der Karolingische Kapelle der Großenlüderer Pfarrkirche St. Georg zurückgekehrt. Restauratorin Anne Ropte zeichnet für diese Komplettierung des Retabels (Altaraufsatz) hauptsächlich verantwortlich. Die 29-Jährige hat ihre Master-Thesis über den Altar geschrieben und kennt jedes Detail.

Viele Jahre lang stand die Christusfigur ganz allein auf dem Altar

So waren Jakobus und Jodokus im Dommuseum ausgestellt

Der wieder komplettierte und restaurierte mittelalterliche Altar Foto: Anne Ropte

Trotz intensiver Recherche ließ sich die genaue Herkunft des Retabels nicht abschließend klären. Aber gesichert ist, dass die Skulpturen des Jodokus, Jakobus und des Christus vom demselben Künstler geschaffen wurden. Auf einer historischen Aufnahme sieht man, dass die Pilgerheiligen Jakobus und Jodokus rechts und links neben dem Kruzifix stehen. Um 1860 wurde das Retabel in der Langenbergkapelle bei Großenlüder ausgestellt, bis 1929 notdürftig auf der Empore eingelagert und dann dem Dommuseum als Leihgabe überlassen. Nachdem das Museum 1965 auf die Nordseite des Doms verlegt wurde, entschied man sich aus unbekannten Gründen die Skulpturen des Jakobus und Jodokus ohne den Altar auszustellen.

Fotos (2): privat

Pfarrer Joachim Hartel freut sich über den "neuen" Altar

Den ikonografischen Kern des Großenlüder Retabels bildet die Darstellung Christi am Kreuz als König und Priester, um den sich die Themen des Märtyrertods und die Pilgerschaft gruppieren. Eine mögliche Interpretation ist, dass die beiden Heiligen durch ihren Lebenswandel als Märtyrer eine besondere Verbundenheit zum Kreuzestod Jesu fühlten. Durch aufwendige Untersuchungen konnte die Restauratorin nachweisen, dass sowohl die Skulpturen des Jakobus und Jodokus als auch die Christusfigur auf das Jahr 1510 datiert werden können und zusammengehören. So konnte die ursprüngliche Anordnung wiederhergestellt werden - sehr zur Freude der Pfarrgemeinde und Pfarrer Joachim Hartels.

Fragen an die Restauratorin Anne Ropte

O|N: Wann haben Sie angefangen, sich überhaupt für Restaurierung zu interessieren? Diesen Beruf haben doch die wenigsten Abiturienten auf dem Zettel. Eigentlich muss man jemanden kennen (und sympathisch finden), damit der Funke überspringt. Wie war das bei Ihnen?

Anne Ropte: Nach dem Abitur wusste ich tatsächlich noch nicht genau, was ich studieren wollte. Ich wusste nur: Es sollte etwas mit Kunst zu tun haben und gleichzeitig handwerklich sein. Als ich dann als Au-pair in London war und fast jeden Tag ein anderes Museum besucht habe, war ich total begeistert von dem Gedanken, all diese einzigartigen Objekte zu erhalten und zu bewahren. In dieser Zeit hatte ich auch die Möglichkeit, eine Restaurierungswerkstatt zu besichtigen – und ab da war ich vollkommen fasziniert von diesem Beruf. Zurück in Deutschland habe ich mich sofort um einen Vorpraktikumsplatz in Erfurt gekümmert, um meinen Weg in die Restaurierung zu starten.

O|N: Restauratoren schütteln den Kopf, wenn sie über ihre Arbeit in der Presse lesen müssen: '...erstrahlt wieder in neuem Glanz'. Warum bedeutet restaurieren eben NICHT "neu machen"?

Im Gespräch mit O|N-Redakteurin Carla Ihle-Becker

Anne Ropte: Das Ziel einer Restaurierung ist es, die Authentizität eines Kulturdenkmals zu bewahren – also seine "Echtheit". Der Begriff "Restaurierung" bedeutet zwar "Wiederherstellung", aber dabei geht es nicht darum, das Objekt in einen neuen Zustand zu versetzen, sondern die historischen und ästhetischen Werte zu erhalten, ohne das Original zu verfälschen. Eine Restaurierung berücksichtigt die Veränderungen, die ein Objekt im Laufe der Zeit erfahren hat – etwa durch den Wandel des Zeitgeschmacks oder frühere Restaurierungsmaßnahmen. Der Fokus liegt auf der Wahrung der Originalsubstanz. Wenn Ergänzungen vorgenommen werden, müssen sie sich deutlich vom Original unterscheiden und jederzeit wieder entfernbar sein. Das Ziel ist nicht die "Wiederherstellung" eines modernen, glänzenden, neuen Zustands, sondern das respektvolle Bewahren und Erschließen der historischen und ästhetischen Bedeutung des Objekts.

O|N: Was haben Sie dann unternommen, um Ihren Berufswunsch zu realisieren?

Mit Kollegin Ulrike Zöller und Jörg Büchner

Anne Ropte: Nachdem ich wusste, dass ich Restauratorin werden möchte, habe ich mich direkt um ein Vorpraktikum bemüht – das ist für ein Restaurierungsstudium in Deutschland fast immer Voraussetzung. Ich habe damals einen Praktikumsplatz bei einer selbstständigen Restauratorin in Erfurt gefunden, wo ich erste praktische Erfahrungen sammeln konnte: vom Umgang mit historischen Materialien bis hin zu grundlegenden Techniken wie Reinigung, Sicherung und Dokumentation. Parallel habe ich mich intensiv über verschiedene Studiengänge informiert, denn Restaurierung ist ein sehr spezialisiertes Fach: Viele Hochschulen verlangen neben dem Vorpraktikum auch eine Mappe mit Zeichnungen oder ein Eignungsverfahren. Deshalb würde ich jedem, der sich für Restaurierung interessiert, raten: Frühzeitig praktische Erfahrung sammeln, genau informieren, welche Fachrichtungen es gibt (z.B. Gemälde, Skulpturen, Möbel, Archäologische Objekte), und keine Angst vor einem anspruchsvollen, aber unglaublich erfüllenden Weg haben.

O|N: Wie sind Sie an das Thema Ihrer Master-Thesis gekommen? Ist Ihnen der Altar in der Restaurierungswerkstatt von Jörg Büchner quasi vor die Füße gefallen?

Anne Ropte: Da ich bereits meine Bachelorarbeit über ein Objekt aus Jörg Büchners Werkstatt geschrieben hatte, lag es für mich nahe, auch für meine Masterarbeit wieder auf ihn zuzugehen. Jörg ist in der Region Fulda sehr gut vernetzt und hat durch seine Kontakte immer wieder Zugriff auf spannende Objekte, die sich für Forschungsarbeiten eignen. Als wir uns gemeinsam den Altar in Großenlüder angesehen haben, war ich sofort fasziniert – sowohl von der künstlerischen Qualität des Retabels als auch von der spannenden Fragestellung, ob die beiden Skulpturen aus dem Dommuseum, Jakobus und Jodokus, ursprünglich zu dem Retabel gehören. Das Retabel ist ein außergewöhnliches Werk, das ich mit der Darstellung des Christus am Kreuz als König und Priester in dieser Ausführung noch nirgends innerhalb eines Altars gesehen habe. Diese Besonderheit hat mich sofort überzeugt, es zum Thema meiner Masterarbeit zu machen.

O|N: Wer war der Auftraggeber?

Emma ist in der Werkstatt von Jörg Büchner zuhause

Anne Ropte: Auftraggeber war die Pfarrei Heilig Kreuz im Fuldaer Land in Großenlüder.

O|N: Was musste zuerst gemacht werden und was ergab die Voruntersuchung?

Anne Ropte: Zuerst habe ich den Altar makroskopisch untersucht, also mit bloßem Auge bei Tageslicht. Dabei habe ich sowohl den Träger – also das Holz – als auch die Fassung der Skulpturen und des Schreins genau unter die Lupe genommen, um Hinweise auf die ursprüngliche Herstellungstechnik zu finden. Dabei analysiert man die Schnitzspuren des Trägers sowie die Verzierungstechniken der Fassung, wie zum Beispiel Vergoldungen oder farbige Fassmalerei.
Diese erste Bestandsaufnahme ist wichtig, um ein Gefühl für das Objekt zu bekommen und erste Anhaltspunkte für die weitere Untersuchungen zu sammeln.

O|N: Welche Schritte folgten dann, wie lang hat das alles gedauert?

Anne Ropte: Nach der ersten Untersuchung mit bloßem Auge habe ich bestimmte Bereiche des Altars mit einem Digitalmikroskop genauer betrachtet. So kann man Details erkennen, die man mit dem Auge allein nicht sehen würde. Zusätzlich habe ich von jedem Schnitzelement – also von Jakobus, Jodokus und der Christusskulptur – sowie von den beiden geschnitzten Reliefs jeweils kleine Proben der Farbschichten entnommen. Durch die Analyse dieser Farbschichten kann man herausfinden, ob die Retabel-Elemente ursprünglich zusammengehört haben oder ob sie von verschiedenen Künstlern geschaffen worden sind. Der Vergleich des Schichtenaufbaus und der verwendeten Pigmente gibt wichtige Hinweise darauf.

O|N: Was haben Sie Spannendes über den Altar und seine Herkunft erfahren?

Anne Ropte: Über die Herkunft und den ursprünglichen Ausstellungsort des Retabels konnte ich trotz intensiver Recherche leider nichts Genaueres herausfinden. Sicher ist, dass das Retabel in den 1860er Jahren in der Langenbergkapelle bei Großenlüder zusammen mit den beiden Skulpturen Jodokus und Jakobus ausgestellt war und bis 1929 in der Langenbergkapelle zwischengelagert wurde. Es lässt sich weder nachvollziehen, seit wann sich das Retabel in der Langenbergkapelle befand, noch wo sein ursprünglicher Ausstellungsort war. Generell lässt sich sagen, dass der Großenlüder Altar aufgrund seines stilistischen Bezugs zur Pilgerschaft und zu den 14 Nothelfern der Region Fulda bzw. Großenlüder zugeordnet werden kann. Das ist manchmal einfach so in der Provenienzforschung: Gerade bei älteren Objekten aus ländlichen Regionen sind die Spuren oft nur schwer oder gar nicht mehr nachvollziehbar.

Trotzdem liefert die Untersuchung viele spannende Hinweise auf die Entstehungszeit und die handwerkliche Qualität des Altars – auch wenn die genaue Herkunft im Dunkeln bleibt. Durch mikroskopische und makroskopische Untersuchungen der Farbschichten und des Holzes konnten hohe Übereinstimmungen zwischen den fünf geschnitzten Elementen festgestellt werden. Darüber hinaus belegen die Analysen von den Farbschichten und Pigmenten, dass die Fassungen aus spätmittelalterlicher Zeit stammen. Das bestätigt, dass die Figuren und Reliefs vermutlich ursprünglich zu einem Ensemble gehören und die Entstehungszeit um 1500 ist– ein wichtiges Ergebnis, der viel über die Geschichte des Retabels verrät.

O|N: Hat sich Ihr Bezug, Ihre Sicht auf das Rentabel verändert – sehen Sie jetzt etwas anderes?

Anne Ropte: Ja, definitiv. Durch die Integration der beiden Skulpturen von Jakobus und Jodokus konnte wieder ein ursprüngliches Ensemble hergestellt werden. Dadurch wirkt das Retabel heute stimmiger und näher an seinem ursprüngliches Zustand, was seine Wirkung und Bedeutung noch einmal deutlich verstärkt.

O|N: Was macht Ihnen Spaß am Beruf der Restauratorin, warum ist er der richtige für Sie?

Anne Ropte: Die Restaurierung und Konservierung vereint für mich auf ideale Weise wissenschaftliches Arbeiten, kunsthistorische Forschung und handwerkliche Präzision. Mich begeistert besonders, dass ich durch analytische Untersuchungen ein tieferes Verständnis für die Entstehung, Geschichte und Materialität von Kunstwerken gewinnen kann. Es motiviert mich, Kunstwerke und historische Objekte zu bewahren und so einen Beitrag zur Weitergabe unseres kulturellen Erbes an zukünftige Generationen zu leisten. Die Vorstellung, dass meine Arbeit einen langfristigen Einfluss hat, inspiriert mich jeden Tag. (ci)+++


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