Ruth Frenk bei der Lesung in Heubachs ehemaliger Synagoge - Fotos: privat

FULDA Weit zurück in die Vergangenheit

Verfolgung und KZ waren nie Thema: Ruth Frenk über ihren Lebensweg

10.05.25 - Es ist eine besondere Konstellation: Rund 60 junge Leute sitzen in der Aula der Fuldaer Marienschule und hören gespannt zu, wie die 79-jährige Ruth Frenk über ihren bewegten Lebensweg berichtet. Frenk führt die Jugendlichen weit zurück in die Vergangenheit: Wenn sie berichtet, wie mit das Kriegsende und der Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft für ihre Eltern das Ende der Haft im Konzentrationslager Bergen-Belsen bringt, wird deutlich, wie elementar und lebensrettend "Befreiung" sein kann.

Denn die Eheleute Frenk sind Juden. Juden aus Rotterdam, einer Stadt, deren Kern die deutsche Luftwaffe 1940 binnen einer halben Stunde in ein Trümmerfeld verwandelte. Von den Nazis ins KZ deportiert, werden sie im Frühjahr 1946 aus einem Transport, der sie eigentlich nach Theresienstadt bringen sollte befreit und können in ihre Heimatstadt zurückkehren. Den 13. April, den Tag ihrer Befreiung, feiern sie Jahr um Jahr als Tag ihrer Wiedergeburt. Doch mit ihrer 1946 geborenen Tochter Ruth sprechen sie nicht über diese Zeit: Die seelische Verletztheit ist so groß, dass Salomon Frenk erst als 80-Jähriger, als Studentinnen ihn als KZ-Überlebenden zu interviewen, beginnt, über seine Zeit in Bergen-Belsen zu sprechen. Mit großer Verwunderung hatte er zur Jahre vorher Kenntnis genommen, dass sich seine Tochter Ruth für ein Seminar von Nachkommen jüdischer NS-Opfer angemeldet hatte. Und den Entschluss mit den Worten "Bei uns war doch alles ganz normal ..." kommentiert.

Akademisch ausgebildete Sängerin und Reiseleiterin

Ruths Lebensweg verläuft in ihrem wohlhabenden Elternhaus unbeschwert: Zum Amüsement der Schülerinnen und Schüler berichtet sie vom eher langweiligen Studieren - und dem in Zeiten wachsender politischer, aber auch sexueller Freizügigkeit verlockenden Studentenleben im "roten" Amsterdam. Nach weiteren akademisch fruchtlosen Uni-Jahren in Genf ("die langweiligste Zeit meines Lebens") geht sie in die USA. In New York studiert sie Gesang – und beschert sich – und dem Vater - endlich auch den ersehnten akademischen Abschluss. Doch ihr Lebensweg bot noch einige Zickzack-Bewegungen – unter anderem Jahre als Reiseleiterin für europäische USA-Touristen, bevor sie sich Mitte der 1970er entschied, einer Gesangslehrerin aus New York nach Konstanz zu folgen. Dort lebt sie seit 1974 als Sängerin und ist bis heute als Musikpädagogin aktiv. Besonders widmet sie sich seit Jahrzehnten der Musik und dem Liedgut aus dem KZ Theresienstadt.

Frenk beschreibt sich gerne und mit einem Augenzwinkern als "Jüdin aus den Niederlanden, die gerne – 100 Meter entfernt von der Schweizer Grenze – in Deutschland lebt". Angesichts der weltweiten politischen Entwicklungen, aber auch der Tendenzen in Europa und dem Rest der Welt, Israel eingeschlossen, ist sie mit Blick auf die Zukunft skeptisch. "Ich glaube nicht, dass der Antisemitismus je ausstirbt – auch wenn nur 16 Millionen von 8 Milliarden Menschen weltweit Juden sind." Und auch die Aussichten für jüdisches Leben in Deutschland schätzt sie als nicht gut ein: "Es wird die nächsten Jahrzehnte kaum überdauern."

Mit Mut zu Umwegen

Für ihr jugendliches Publikum, dessen Informationsstand sie zunächst mit ein paar Fragen geprüft (und für gut befunden hatte), hat sie aber noch einen wichtigen Rat- ganz jenseits von Fragen der Weltanschauungen und Religionen: "Lasst euch nicht einreden, dass gelungene Lebenswege stets geradlinig und immer auf ein Karriere-Ziel hin ausgerichtet verlaufen: Die ,Umwege', die man macht, sind wichtig und prägen uns als Menschen – ich habe bei all den Kurven und Abweichungen ganz viel für mein Leben gelernt!"

Ruth Frenk bei ihrem Referat in der Marienschule.

Für die Schulleitung hatte Studiendirektor Gerrit Ruwe die Referentin willkommen geheißen. Im Namen der Fachschaft Geschichte ordnete Oberstudienrat Paul Berbée Frenks Besuch und Bericht auch historisch ein: Er erinnerte an die bedingungslose Kapitulation der NS-Führung vor exakt 80 Jahren in einer Schule im französischen Reims, also das Ende des Zeiten Weltkriegs in Europa. Dort war damals das Hauptquartier der US-Streitkräfte unter General Eisenhower eingerichtet.

Die Schlüssel der Freiheit

"Das sind die Schlüssel zur Freiheit der Welt", habe, so Berbée, der US-Oberkommandierende gesagt, als er später die Schlüssel der Schule an den Oberbürgermeister von Reims zurückgab. Frenks Lebensbericht helfe, von heute den Bogen zurück zu jener Zeit zu schlagen, um die geschichtliche Bedeutung dieser Entwicklung einschätzen zu können. Wim Wenders hat diesem Ereignis grade einen beeindruckenden Kurzfilm gewidmet: https://www.youtube.com/watch?v=m2LhQIgSqrk

Frenk war im Rahmen des "Kultursommers Main Kinzig Fulda" später auch in der ehemaligen Landsynagoge Heubach zu Gast. Dort las sie aus ihrer Autobiographie. Durch eine Kooperation des Heubacher Fördervereins und der Marienschule war die Schulveranstaltung mit Frenk auf den Weg gebracht worden. (mau/pm) +++


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