
Studie deckt sexualisierte Gewalt durch Gemeindepfarrer auf
05.11.25 - Sexualisierte Gewalt in der Kirche bleibt ein brisantes und emotional belastetes Thema. Am Dienstag wurde eine Studie der Universität Kassel vorgestellt, die sich mit Übergriffen eines evangelischen Pfarrers in den 1980er-Jahren beschäftigt. Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) reagiert auf die Ergebnisse mit klaren Worten und einem entschlossenen Bekenntnis zur Prävention und Aufarbeitung.
Die Studie "Sexualisierte Gewalt durch einen hessischen evangelischen Gemeindepfarrer in den 1980er Jahren" basiert auf 27 Interviews mit Zeitzeuginnen und -zeugen sowie auf der Auswertung von Zeitdokumenten. "Wir tun alles, was in unserer Macht steht, damit Menschen uns berechtigt vertrauen können. Die vorliegende Studie unterstützt uns dabei, typische täterschützende Strukturen aufzudecken und zu verändern. Sie ist ein Teil unseres entschlossenen Einsatzes gegen sexualisierte Gewalt", erklärte Bischöfin Dr. Beate Hofmann.
Forschung untersucht Strukturen und Hintergründe Die Forscherinnen Prof. Dr. Mechthild Bereswill und Prof. Dr. Theresia Höynck untersuchten, welche Bedingungen sexualisierte Gewalt möglich machten. Dabei betrachteten sie gesellschaftliche Entwicklungen, Reform- und Aufbruchsstimmung in den 1970er- und 1980er-Jahren, Veränderungen in der Konfirmanden- und Jugendarbeit, die Rolle von Pfarrpersonen, Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse sowie den Einfluss von Gerüchten.
Fehlende Regeln und Maßstäbe in der Gemeinde
"Die Studie zeigt, wie gesellschaftlicher Wandel und Veränderungen in einer Gemeinde als befreiend von autoritären Strukturen und Beziehungsgeflechten verstanden wurden und damit Regeln und Maßstäbe fehlten, um grenzverletzendes Verhalten und Gewalt als solche zu benennen und zu verfolgen", so Bischöfin Hofmann. Sie betonte, dass gerade die beziehungsorientierte Arbeit mit Jugendlichen und die charismatische, aber auch manipulativ beschriebene Persönlichkeit des Täters Gelegenheiten für Gewalt geschaffen habe.Um solche Übergriffe künftig zu verhindern, setzt die Landeskirche auf Präventionsmaßnahmen: "Es gilt, Menschen zu bestärken, Grenzen zu setzen, sprachfähig zu werden über das, was sie nicht möchten, und ihr Selbstvertrauen zu stärken." Schulungen und Konzepte sexueller Bildung in verschiedenen kirchlichen Strukturen sollen diesen Ansatz weiter fördern. Außerdem werde empfohlen, Gerüchte als Hinweise auf mögliche Gewalt ernst zu nehmen, ohne Mobbing oder Verleumdung zu fördern.
Aufarbeitung und Unterstützung für Betroffene
Bischöfin Hofmann appellierte an alle Betroffenen oder Zeugen, sich bei der Fachstelle oder der Unabhängigen Anerkennungskommission (UAK) der EKKW zu melden. "Unsere Kirche hat schwerwiegende Fehler gemacht. Durch kirchenleitendes Versagen ist großes Leid nicht verhindert, sondern verlängert worden. Verantwortliche haben nicht – oder nicht zum Wohl der Betroffenen – gehandelt; sie haben weggeschaut, bagatellisiert und vertuscht. Und unsere Strukturen haben dieses Versagen ermöglicht. Deshalb braucht es hier weitere Aufarbeitung", so die Bischöfin.Trotz einer stärkeren Sensibilisierung komme sexualisierte Gewalt weiterhin vor: "Mit dieser Tatsache müssen wir umgehen und bringen darum intensiv Prävention, Intervention und Aufarbeitung voran. Dabei stehen die Bedürfnisse betroffener Personen und das Bemühen um sichere Räume bei uns im Fokus."
Öffentliche Veranstaltung zur Studie Interessierte haben am 18. November 2025, um 18 Uhr die Möglichkeit, sich in der Neuen Denkerei in Kassel über die Studienergebnisse zu informieren. Bischöfin Dr. Hofmann, Prälat Burkhard zur Nieden und Sabine Kresse, Leiterin der Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der EKKW, werden dort die Ergebnisse vorstellen und einordnen.
Die EKKW setzt sich intensiv dafür ein, sexualisierte Gewalt aufzuarbeiten, Prävention zu stärken und Betroffene zu unterstützen – unter anderem über die 2019 gegründete, unabhängige Anerkennungskommission, die eigenständig über Unterstützungsleistungen entscheidet. Weitere Informationen und Materialien zur Studie finden sich auf der Website der EKKW unter: www.ekkw.de/sexualisierte-gewalt. (pm/cb) +++
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LK Fulda

